
Warum die Rechnungen steigen – und was dahintersteckt
Elektroautos galten lange als „wartungsarm“. Ölwechsel, Zündkerzen, Abgascheck – all das entfällt. Trotzdem berichten viele Fahrer inzwischen von deutlich höheren Werkstattrechnungen bei Inspektionen. Handelt es sich um eine neue Einnahmequelle der Vertragsbetriebe – oder steckt mehr dahinter?
Was gehört bei E-Autos überhaupt zur Inspektion?
Typische Posten sind Sicht- und Funktionschecks, Software/Diagnose, Innenraumfilter sowie Bremsflüssigkeit (meist alle zwei Jahre). Öl- und Abgaskomponenten entfallen, die HU bleibt (alle zwei Jahre), AU entfällt bei reinen BEV.
Beispiel VW ID.3: Inspektion alle 24 Monate ohne Kilometerlimit; gemeldete Preise in Deutschland liegen oft um ≈300 € (regional/Umfang stark variierend).
Warum werden Inspektionen (gefühlt) teurer?
- Allgemeiner Kostendruck in Werkstätten
Stundensätze und Reparaturpreise stiegen in den letzten Jahren deutlich – +30 % seit 2017 bei Stundensätzen; Ersatzteile +75 % gegenüber 2014. Das drückt auch Inspektionspauschalen nach oben. - ADAS-Komplexität & Kalibrierungen
Moderne Fahrerassistenzsysteme erfordern teure Prüf-/Kalibriertechnik und geschultes Personal; nach Scheiben-/Karosseriearbeiten sind Kalibrierungen Pflicht und verteuern Werkstattaufenthalte (häufig 200–250 CHF/EUR+, je nach Aufwand). - Teurere Unfallschäden bei BEV
Pro Schaden liegen BEV-Reparaturen im Schnitt bis zu ~10–25 % höher als bei Verbrennern (u. a. wegen Karosserie-/Elektronik- und Teilepreisen) – ein Kostenniveau, das Werkstätten insgesamt prägt. - Spezial-Services
Hochvoltsystem-Checks, ggf. Klimaanlagenservice (R744/CO₂ bei einigen Modellen), Bremsenpflege gegen Korrosion etc. – seltene, aber teils teure Posten, die im Inspektionsumfang auftauchen können. (Hersteller-/Modellvorgaben variieren.). - Ölwechsel fällt weg – Erlös wird verlagert
Hersteller und Betriebe reagieren mit Serviceverträgen (monatlicher Festpreis) und umfangreicheren Checklisten. Das sichert Kalkulierbarkeit – erhöht aber die Summe über die Laufzeit.
Wie teuer „darf“ Inspektion sein?
Der ADAC nennt – über alle Antriebe hinweg – ca. 100–600 € reine Inspektionskosten, je nach Marke, Region und Umfang. BEV haben weniger Materialaufwand, aber höhere Lohn- & Teilepreise schlagen durch.
Ist das nun eine neue Einnahmequelle?
Teilweise ja – aber nicht nur.
- Ja, weil entfallene Öl-/Abgasarbeiten durch dienstleistungsintensive Checks, Kalibrierungen und Verträge ersetzt werden. Das schafft neue Erlösposten.
- Nein, weil ein großer Teil des Preisanstiegs exogene Kosten sind: Löhne, Ausrüstung (HV/ADAS), teurere sichtbare Karosserieteile (Designschutz) und Ersatzteile insgesamt.
Zum Gegenpol: Tesla verzichtet weiterhin auf feste Wartungsintervalle und empfiehlt nur einzelne Checks (z. B. Bremsflüssigkeit alle vier Jahre) – das zeigt, dass BEV-Wartung prinzipiell schlank möglich ist, wenn der Hersteller es so vorsieht.
Wohin geht die Reise?
- Kurzfristig (1–2 Jahre): weiter steigende Lohn-/Teilepreise → Inspektionen bleiben eher teuer; ADAS-Durchdringung nimmt zu.
- Mittelfristig (3–5 Jahre): mehr OTA-Diagnose und vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) könnten Werkstattzeiten senken – aber Kalibrier-/Karosserie- und Elektronikarbeiten bleiben kostentreibend.
- Marktseitig: freie Werkstätten investieren in ADAS/HV-Kompetenz, was Preiswettbewerb gegenüber Vertragsbetrieben stärkt – allerdings mit hohem Invest.
Was können Kund:innen konkret tun?
- Serviceplan prüfen & postenweise Kosten verlangen (Bremsflüssigkeit, Filter, Diagnose etc.).
- HU vs. Inspektion trennen: HU ist gesetzlich, AU entfällt beim BEV.
- Vergleichen: Vertragsbetrieb vs. qualifizierte freie Werkstatt mit HV/ADAS-Zertifikat.
- Serviceverträge rechnen: Monatsrate × Laufzeit gegen erwartete Einzelkosten stellen.
Kritisches Fazit
Die höhere Inspektionsrechnung beim E-Auto ist nicht bloß „Abzocke“, sondern das Resultat eines Strukturwandels: weniger Verbrauchsmaterial, dafür mehr qualifizierte Arbeitszeit und teure Teile/Technik. Vertragsbetriebe professionalisieren ihre Erlösmodelle (Servicepakete, Kalibrierleistungen) – das fühlt sich wie eine neue Einnahmequelle an, ist aber auch Antwort auf reale Kosten.
Unterm Strich bleiben BEV im Regelbetrieb bei der Wartung oft günstiger als vergleichbare Verbrenner, doch der Puffer schrumpft. Wer informiert vergleicht und nur nötige Leistungen beauftragt, hält die Kosten im Zaum. Langfristig entscheidet der Wettbewerb (und standardisierte OTA-Wartung) darüber, ob Inspektionspreise wieder sinken – oder ob der Werkstattbesuch beim E-Auto teuer bleibt.