Symbolpolitik oder industriepolitische Vernunft?
CDU-Chef Friedrich Merz hat angekündigt, das ab 2035 geplante EU-weite Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor kippen zu wollen. Seine Aussage entzündet eine hitzige Debatte – nicht nur über europarechtliche Fragen, sondern auch über die Zukunft der deutschen Automobilindustrie.
Europarechtliche Realität
Das Aus für Verbrenner ist keine deutsche Entscheidung, sondern ein Beschluss der EU im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets. Deutschland kann diesen Kurs nicht allein aufheben. Sollten die Regeln geändert werden, müsste dies auf gesamteuropäischer Ebene erfolgen – ein schwieriger und politisch äußerst unwahrscheinlicher Prozess. Merz’ Vorstoß wirkt daher weniger wie ein realistischer Plan, sondern vielmehr wie ein innenpolitisches Signal.
Doppeltes Interesse der Autohersteller
Interessant ist die Rolle der deutschen Hersteller. Auf den ersten Blick könnte man meinen, Volkswagen, BMW und Mercedes drängten auf einen schnellen Abschied vom Verbrenner: Schließlich investieren sie Milliarden in Batteriewerke, Elektroplattformen und Ladeinfrastruktur. Doch die Realität ist komplexer.
- Elektro als Zukunft: In Europa und China, den Leitmärkten, ist Elektromobilität klar politisch gewollt. Deutsche Konzerne wollen hier nicht den Anschluss verlieren.
- Verbrenner als Geschäft: Gleichzeitig erwirtschaften sie heute noch den Großteil ihrer Gewinne mit Benzin- und Dieselmodellen. Ein schnelles Aus bedroht dieses Kerngeschäft – gerade in Märkten außerhalb Europas, wo Verbrenner weiter nachgefragt werden.
Deshalb haben die Hersteller ein ambivalentes Interesse: Einerseits brauchen sie klare politische Vorgaben, um Planungssicherheit für den Umstieg zu haben. Andererseits nutzen sie jede Verzögerung, um ihre Verbrenner möglichst lange profitabel zu verkaufen.
Sinn und Widerspruch
Merz’ Forderung trifft diesen Nerv: Sie klingt wie ein Schutz der Industrie, könnte aber in Wahrheit deren Transformation bremsen. Denn je länger Unsicherheit herrscht, desto schwieriger ist es für die Hersteller, ihre milliardenschweren Investitionen in E-Mobilität abzusichern. Ein Festhalten am Verbrenner mag kurzfristig Gewinne sichern, birgt aber das Risiko, international ins Hintertreffen zu geraten – vor allem gegenüber Tesla und chinesischen Herstellern, die kompromisslos auf Elektro setzen.
Fazit
Das Kippen des Verbrenner-Verbots ist europarechtlich kaum durchsetzbar und wirtschaftlich ein zweischneidiges Schwert. Für die deutsche Industrie bedeutet es, zwischen kurzfristigen Profiten und langfristiger Wettbewerbsfähigkeit abzuwägen. Merz nutzt diese Gemengelage für innenpolitische Profilierung – ob das aber im Interesse der Branche oder der Verbraucher liegt, ist fraglich.
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