Der Schock saß tief: Als die Bundesregierung Ende 2023 den Umweltbonus für Elektroautos abrupt einstellte, reagierte der Markt prompt. Die Neuzulassungen rein batterieelektrischer Fahrzeuge (BEV) gingen im Jahr 2024 deutlich zurück – ein jäher Einbruch, der bei vielen die Frage aufkommen ließ: Ist die Elektromobilität in Deutschland schon zu Ende, bevor sie richtig begonnen hat?
Die Zahlen des Jahres 2024 sind in der Tat ernüchternd: Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl der BEV-Neuzulassungen um etwa 27 Prozent. Dieser Rückgang ist hauptsächlich auf die Kaufzurückhaltung privater Verbraucher zurückzuführen, denen die staatliche Prämie als wichtiger Anreiz fehlte.
Faktencheck: Mehr als nur eine Delle
Dennoch wäre es verfrüht, die Elektro-Ära vorschnell für beendet zu erklären. Ein Blick auf die Gesamtlage zeigt, dass Deutschland bei der E-Mobilität zwar eine Delle erfahren hat, aber keineswegs stillsteht:
- Bestand wächst weiter: Trotz des Einbruchs bei den Neuzulassungen wuchs der Gesamtbestand an E-Autos in Deutschland weiter. Zum 1. Januar 2025 waren rund 1,79 Millionen reine Elektroautos zugelassen – ein Anteil von etwa 3,6 Prozent am gesamten Pkw-Bestand. Innerhalb von nur vier Jahren hat sich die Anzahl der E-Pkw mehr als verfünffacht.
- Auswahl und Innovation: Deutsche Hersteller bieten mittlerweile über 90 verschiedene Elektromodelle in allen wichtigen Segmenten an. Innovationen bei Reichweite, Ladeleistung und Batterieeffizienz schreiten stetig voran.
- Ausbau der Ladeinfrastruktur: Der Aufbau der Ladeinfrastruktur geht massiv voran. Zum September 2024 zählte die Bundesnetzagentur über 154.000 öffentliche Ladepunkte, davon mehr als 33.000 Schnellladepunkte. Der Ausbau wird unter anderem durch das Deutschlandnetz massiv gefördert, das flächendeckend Ultra-Schnellladepunkte schaffen soll – auch im ländlichen Raum.
Die Verlangsamung ist somit primär eine Folge des Förderstopps und der fehlenden politischen Klarheit, nicht einer grundlegenden Ablehnung der Technologie durch die Konsumenten. Die erhöhte Nachfrage nach Plug-in-Hybriden im Jahr 2024 zeigt außerdem, dass der Wunsch nach elektrifizierter Mobilität nach wie vor da ist.
Der Blick nach vorn: Warum jetzt der richtige Zeitpunkt ist
Die Diskussion über das „Ende“ der E-Mobilität verdeckt oft die Chancen, die der aktuelle Wandel bietet, besonders für private Käufer, die eine Neuanschaffung planen. Die anfänglichen Kinderkrankheiten der Technologie sind weitgehend behoben, und die Marktbedingungen ändern sich zugunsten der Verbraucher:
- Hersteller-Rabatte statt Umweltbonus: Nach dem Wegfall der staatlichen Förderung sind viele Autohersteller aktiv geworden. Sie bieten attraktive Herstellerprämien und Rabatte, um die Kaufzurückhaltung auszugleichen. Tipp: Informieren Sie sich gezielt bei den Herstellern über aktuelle Aktionen – oft sind die Nachlässe mitunter ebenso hoch wie die frühere Prämie.
- Technologische Reife: Aktuelle Modelle bieten Reichweiten, die den Alltag der allermeisten Pendler und Familien problemlos abdecken. Das Laden zu Hause an der Wallbox über Nacht macht den Ladevorgang komfortabel und planbar.
- Kosten und Ökologie: Zwar sind die Anschaffungskosten oft noch höher, doch im laufenden Betrieb sind E-Autos durch niedrigere „Tankkosten“ (Strom statt Benzin), geringere Wartungskosten und die Befreiung von der Kfz-Steuer bis 2030 (für BEVs) oft günstiger. Zudem profitieren Sie von der THG-Prämie, die jährlich mehrere Hundert Euro bringen kann.
- Zukunftssicherheit: Das EU-Parlament hat beschlossen, dass ab 2035 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden dürfen. Wer heute in ein E-Auto investiert, entscheidet sich für die zukunftssichere Technologie und vermeidet potenzielle Wertverluste oder Einschränkungen für ältere Verbrenner.
Die aktuelle Marktphase ist die Konsolidierung nach dem großen Boom. Die Technologie ist reifer, die Hersteller sind wettbewerbsfähiger, und der Aufbau der Infrastruktur schreitet trotz aller Herausforderungen voran.
Die Elektromobilität ist nicht zu Ende. Im Gegenteil: Sie hat die Phase der staatlich subventionierten Euphorie verlassen und tritt nun in eine reifere, marktgetriebene Phase ein. Wer jetzt einen Kauf plant, profitiert von dieser Entwicklung, indem er auf technologisch ausgereifte Modelle und attraktive Herstellerangebote trifft.
E-Auto Vergleich: Reichweite und Ladezeit gängiger Modelle
| Modell-Segment (Beispiel) | WLTP-Reichweite (ca.) | Batteriekapazität (netto/brutto) | DC-Schnellladung (10-80% ca.) | Max. DC-Ladeleistung | Besonderheiten (Architektur) |
| Oberklasse/Premium | |||||
| Mercedes-Benz EQS | 690 – 780 km | 90 – 108 kWh | 31 Min. | 200 kW | Sehr hohe Reichweite, Premium-Komfort. |
| Lucid Air | 680 – 880 km | 92 – 118 kWh | ca. 12-20 Min. | bis zu 300 kW | Aktuell die Spitzenmodelle bei Reichweite und Lade-Speed. |
| Mittelklasse/Crossover | |||||
| Tesla Model 3 (Long Range) | 600 – 630 km | ca. 75 – 82 kWh | ca. 25 – 30 Min. | bis zu 250 kW | Sehr effizient, gutes Lade-Netzwerk (Supercharger). |
| Hyundai IONIQ 6 (RWD) | 550 – 614 km | 77 kWh | ca. 18 Min. | bis zu 240 kW | 800-Volt-Technik, extrem schnelles Laden. |
| VW ID.7 | 550 – 620 km | 77 – 82 kWh | ca. 28 Min. | bis zu 175 kW | Komfortable Reiselimousine. |
| Kompakt-SUV/Kompaktwagen | |||||
| VW ID.4 / Škoda Enyaq | 450 – 550 km | 77 kWh | ca. 28 – 35 Min. | bis zu 135 – 175 kW | Beliebte, geräumige Allrounder. |
| BYD Seal | 500 – 570 km | 82 kWh | ca. 26 Min. | bis zu 150 kW | Attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis. |
| BMW iX1 | 390 – 440 km | 65 kWh | ca. 29 Min. | bis zu 130 kW | Premium-Kompakt-SUV, hohe Alltagsqualität. |
| Kleinwagen/City-Flitzer | |||||
| Opel Corsa Electric | 300 – 350 km | 50 – 54 kWh | ca. 30 Min. | bis zu 100 kW | Ideal für die Stadt und Pendler. |
| Citroën ë-C3 | 300 – 320 km | 44 kWh | ca. 26 Min. | bis zu 100 kW | Sehr günstiger Einstieg, solide Stadtreichweite. |
Hinweis: Die WLTP-Reichweite ist ein genormter Wert. Die tatsächliche Reichweite hängt stark von Fahrstil, Außentemperatur und Beladung ab. Rechnen Sie im Alltag mit etwa 80% des WLTP-Wertes im Sommer und ca. 60-70% im Winter.
Wie Sie die Werte für Ihre Bedürfnisse interpretieren
Um zu entscheiden, ob ein E-Auto für Sie in Frage kommt, betrachten Sie diese Faktoren:
1. Reichweite: Der „Pendler-Check“
- Täglicher Weg zur Arbeit (Pendler): Fahren Sie täglich 50 km? Selbst das Modell mit der geringsten Reichweite (z.B. 300 km WLTP) muss im Winter nur alle 4-5 Tage an die Steckdose, wenn Sie zu Hause laden können (was für die meisten der bequemste Weg ist).
- Wochenendausflüge/Gelegentliche Langstrecke: Brauchen Sie über 400 km am Stück ohne zu laden? Nur die oberen Mittelklasse- und Premium-Modelle schaffen dies sicher (z.B. Tesla Model 3, VW ID.7). Bei den meisten Modellen (300-400 km) ist eine Kaffeepause mit 20-30 Minuten Ladezeit alle 250-300 km realistisch.
2. Ladezeit: Der „Urlaubs-Check“
- Laden zu Hause (AC): Die Ladeleistung beträgt meist 11 kW (oder seltener 22 kW). Die Dauer von 0 auf 100% liegt bei 6 bis 10 Stunden. Das Auto ist morgens immer voll! Die DC-Ladezeit ist für das Laden zu Hause irrelevant.
- Laden unterwegs (DC/Schnellladen): Hier zählt die Zeit von 10% auf 80%. Die aktuellen Modelle liegen meist zwischen 18 und 35 Minuten. Modelle mit 800-Volt-Architektur (z.B. Hyundai IONIQ, Kia EV6, Porsche Taycan) laden oft schneller (unter 20 Minuten), da sie höhere Stromstärken verarbeiten können.
Lassen Sie sich nicht von Schlagzeilen verunsichern, sondern von Fakten leiten. Machen Sie sich selbst ein Bild und denken Sie bei Ihrer nächsten Auto-Anschaffung ganz bewusst über den Umstieg auf elektrisch nach. Es ist nicht das Ende, sondern der Beginn einer neuen, leiseren und saubereren Ära der Mobilität.
Fazit: Die Zeiten, in denen E-Autos nur etwas für die Kurzstrecke waren, sind vorbei. Die aktuelle Generation bietet solide Reichweiten für den Alltag und sehr schnelle Ladezeiten für die Langstrecke, die einer Kaffeepause oder einem Snack entsprechen.
© Text enews.at 2025


