Die dramatische Lage bei Ford Köln und das Scheitern der E-Offensive

Die Aufbruchsstimmung in Köln-Niehl ist verflogen. Was als Symbol für die neue, elektrische Ära des US-Autoriesen Ford in Europa gedacht war, entpuppt sich als akute Krise. Die Situation am traditionsreichen Standort Ford Köln ist weitaus dramatischer, als die Öffentlichkeit zunächst wahrnimmt: Neue Elektroautos verkaufen sich schleppend, Tausende von Fahrzeugen stauen sich auf Halden, die Belegschaft zittert, und im deutschen Händlernetz herrscht massive Verunsicherung. Die kritische Frage steht im Raum: Ist die Elektromobilität bei Ford, an deren Spitze die Konzernzentrale in den USA steht, grandios gescheitert?

Der Kölner Tiefschlag: Von der E-Hoffnung zur Kurzarbeit

Das Kölner Werk, in das Ford Milliarden in den Umbau zum „Electric Vehicle Center“ investiert hat, sollte die Speerspitze der europäischen Elektrostrategie sein. Mit dem rein elektrischen Ford Explorer und dem angekündigten Capri Electric sollten zwei emotional aufgeladene Modelle den deutschen und europäischen Markt erobern. Doch die Realität sieht anders aus:

  • Absatzflaute und Kurzarbeit: Die Nachfrage nach den neuen E-Modellen blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die Folge: Kurzarbeit für Tausende von Mitarbeitern und die Reduzierung der geplanten Produktionsmenge. In der Folge steht sogar eine Umstellung von zwei auf nur noch eine Schicht im Raum. Dies ist ein herber Schlag für die Belegschaft, die ohnehin schon durch den Abbau von Tausenden von Stellen bis 2027 verunsichert ist.
  • Fahrzeuge auf Halde: Berichte über eine hohe Zahl unverkaufter Fahrzeuge, die auf verschiedenen Flächen rund um das Werk und in der Umgebung stehen, befeuern die Spekulationen über eine massive Diskrepanz zwischen Produktion und tatsächlicher Kundennachfrage.
  • Händler am Limit: Das deutsche Händlernetz leidet unter fehlender Planungssicherheit. Die Verzögerungen bei der Markteinführung des Explorer, der ursprünglich deutlich früher starten sollte, sowie die nun schleppenden Verkäufe der ersten Modelle frustrieren die Partner. Hinzu kommt die Kritik von Händlerseite an der Preisgestaltung und der mangelhaften Kundenzentrierung der E-Produkte.

Die Ursachenforschung: Strategische Fehler in Köln und Detroit

Was hat zu dieser existenziellen Krise in Köln geführt? Es ist eine Mischung aus externen Markteinflüssen und internen strategischen Fehlern.

1. Der schlechte Markteinstieg

Der Start der neuen E-Modelle fiel in eine Zeit, in der die staatliche Kaufprämie in Deutschland gestrichen wurde und die Verunsicherung der E-Auto-Käufer stieg – unter anderem wegen hoher Strompreise und unsicherer Ladeinfrastruktur. Die Modelle, deren Basispreis bei über 40.000 Euro liegt, treffen in Deutschland auf ein sehr preissensibles Käufersegment, das Ford traditionell bediente. Der Wegfall des erfolgreichen, aber unrentablen Kleinwagen-Klassikers Fiesta hinterließ zudem eine schmerzhafte Lücke in der Modellpalette.

2. Fehler im Modell-Mix und Imageproblem

Experten sehen in der Modellpolitik einen fundamentalen Fehler: Ford versucht, sich im höherpreisigen E-Segment mit SUV-Modellen zu etablieren, obwohl die Marke in Europa historisch für günstige, alltagstaugliche Verbrenner stand. Die Umstellung auf hochpreisige Nischenprodukte wie den Explorer oder Capri fällt der traditionellen Ford-Käuferschaft schwer. Ford fehlt es an einem erschwinglichen E-Auto (einem elektrischen Fiesta-Nachfolger), das die breite Masse anspricht.

3. Die Rolle der US-Zentrale und die europäische Entkopplung

Hier kommt die kritische Hinterfragung des Mutterkonzerns in Detroit ins Spiel:

  • Zögerliche Investitionen und Kontrolle: Obwohl Milliarden in den Kölner Umbau flossen, kritisieren Experten eine mangelnde langfristige und entschlossene Zukunftsstrategie der US-Zentrale für Europa. Der Konzernumbau und die Übernahme der direkten Steuerung des Europageschäfts durch Detroit führten zu einem Personalwechsel an der Spitze und einer Reduzierung der Deutschlandgeschäftsführung, was die Verunsicherung zusätzlich schürte.
  • Abhängigkeit von VW-Technologie: Die Kölner E-Autos basieren auf dem Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) des Konkurrenten Volkswagen. Diese Abhängigkeit mindert nicht nur die Alleinstellungsmerkmale, sondern lässt Ford auch unter dem branchenweiten Preisdruck im E-Segment besonders leiden, da die Batterie-Packs teuer zugekauft werden müssen.

Ford USA: Gescheiterte E-Mobilität oder strategische Kehrtwende?

Blickt man über den Atlantik, scheint das globale E-Mobilitäts-Engagement von Ford ebenfalls unter keinem guten Stern zu stehen. Die eigens geschaffene E-Auto-Sparte „Model e“ verbucht Milliardenverluste.

  • Hohe Verluste und Kurskorrektur: Die Verluste im E-Auto-Segment sind immens. Dies hat Ford in den USA zu einer radikalen Wende in der Strategie gezwungen: Statt den Fokus nur auf vollelektrische SUVs und Großfahrzeuge zu legen, rückt nun wieder der Hybridantrieb in den Mittelpunkt. Gleichzeitig forciert Ford die Entwicklung neuer, kostengünstigerer E-Plattformen und will ab 2027 elektrische Pickups und Vans im Niedrigpreissegment anbieten – eine Reaktion auf die wachsende Konkurrenz aus China.
  • Fokus auf Verbrenner-Gewinne: Der US-Konzern setzt vorerst wieder stärker auf seine margenstarken Verbrenner-Modelle (Pickups, große SUVs), deren Gewinne die Milliardenlücken der E-Sparte stopfen sollen.
  • Politischer Gegenwind: Die E-Strategie in den USA ist stark von der politischen Entwicklung abhängig, insbesondere durch den Wechsel in der Regierung, der zur Streichung von Förderungen und zum Aussetzen von Abgasregeln führen könnte.

Fazit: Das Ende der europäischen E-Ambitionen?

Die kritische Hinterfragung lässt wenig Raum für Optimismus: Bei Ford ist die Elektromobilität in Europa in ihrer aktuellen Form gescheitert. Das Kölner Werk, einst ein stolzes Symbol des Wandels, kämpft mit den Folgen einer Modellpolitik, die den europäischen Massenmarkt ignoriert hat. Die Probleme bei Ford in Köln sind mehr als nur eine Folge der generellen E-Auto-Flaute; sie sind die Konsequenz aus strategischen Fehlentscheidungen, einer verfehlten Produktpositionierung und einer zögerlichen Führung aus den USA.

Experten sehen für Ford Europa nur noch wenige Auswege: Ein entschlossenes Bekenntnis der US-Mutter mit massiven, neuen Investitionen und einer Neuausrichtung auf kleinere, erschwingliche E-Modelle oder das Worst-Case-Szenario eines sukzessiven Rückzugs aus dem defizitären europäischen Pkw-Geschäft.

Die Zukunft des traditionsreichen Ford-Standorts Köln ist ungewisser denn je.

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