Warum viele Schnelllader an Autobahnen noch immer frustrieren – und was sich ändern muss
Einordnung (Stand: 29. Oktober 2025). Deutschland verfügt laut Bundesnetzagentur aktuell über rund 180.000 öffentliche Ladepunkte, davon gut 44.000 Schnellladepunkte (DC). Die meisten Ladepunkte stehen jedoch nicht direkt an der Autobahn, sondern in Städten und an Ausfahrten. Die Bundesnetzagentur weist zum Stichtag 1. Oktober 2025 44.247 DC-Ladepunkte aus; die Gesamtsumme an Ladeleistung beträgt 7,33 GW.
Der Befund aus Nutzersicht: „zu weit hinten, zu dunkel, zu oft kaputt“
Ein ADAC-Stichprobentest an 40 Rastanlagen entlang zentraler Autobahnrouten (Herbst 2024) zeichnet ein nüchternes Bild:
- Defekte: An 15 % der untersuchten Rastanlagen war mindestens ein Ladepunkt außer Betrieb.
- Leistung & Anzahl: Häufig nur 50 kW statt HPC; an den untersuchten HPC-Standorten im Mittel nur vier Ladepunkte – aus Nutzersicht zu wenig für Reiseverkehr.
- Komfort: Überdachungen die absolute Ausnahme, Anhänger-taugliche Stellplätze selten, Blockierer (Falschparker) ein wiederkehrendes Problem.
- Beleuchtung: Nur an vier Anlagen als unzureichend bewertet – aber die Platzierung „im hintersten Eck“ und ohne Aufenthaltsqualität bleibt Kritikpunkt.
- Bezahlen: Kartenterminals (trotz EU-Pflicht für neue Säulen) im Test an nur 3/37 Standorten vorhanden – und noch nicht in Betrieb.
Diese Befunde erklären, warum viele Fahrer Autobahn-Laden als nicht einladend empfinden: lange Wege über Lkw-Zonen, wenig Wind-/Wetterschutz, kaum Sitzgelegenheiten, Müll/Schmutz in manchen Ecken – und im Zweifel eine defekte Säule.
Warum ist das so? Vier strukturelle Ursachen
- Vergabe- und Betreiberstruktur an bewirtschafteten Raststätten
Rund 90 % der bewirtschafteten Rastanlagen werden über Konzessionen vor allem von Tank & Rast betrieben. Der Ausbau von Schnellladern an diesen Standorten war über Jahre von einem Rechtsstreit überschattet (u. a. mit Fastned). Erst ein EuGH-Urteil am 29. April 2025 hat die Vergabepraxis der Autobahn GmbH zugunsten von Tank & Rast/Partner grundsätzlich gebilligt; Details müssen nationale Gerichte noch prüfen. Bis dahin bremsten Unsicherheit und schwebende Verfahren den Ausbau. - Netzanschlüsse und Baupraxis
Schnellladestandorte benötigen leistungsfähige Stromanschlüsse und oft neue Trafostationen. Praxisberichte zeigen: Säule steht – Strom fehlt. Das heißt, Hardware ist installiert, aber die Inbetriebnahme verzögert sich wegen Netzanschluss, Genehmigungen oder Tiefbaukapazitäten. - Ökonomik & Standortqualität
HPC an Autobahnen ist teuer (Trafostation, Tiefbau, Parkflächen-Umgestaltung, 24/7-Service). Betreiber priorisieren deshalb leistungsstarke Hubs an verkehrsstarken Knoten – kleine, abgelegene Rastplätze geraten ins Hintertreffen (weniger Umsatz, hohes Investitionsrisiko). Das erklärt „Randlagen“ auf Parkarealen und den Verzicht auf Komfortelemente wie Dächer. - Regelwerk im Wandel (AFIR vs. Realität vor Ort)
Seit 13. April 2024 gilt die EU-Verordnung AFIR: Ad-hoc-Laden ohne Vertrag muss möglich sein – mit Debit/Kreditkarte oder kontaktlos. Viele Bestandsanlagen wurden jedoch vorher errichtet und haben (noch) keine Kartenterminals. Die Nachrüstung läuft, ist aber nicht überall abgeschlossen.
Was die Autobahn GmbH (und der Bund) jetzt konkret plant
Unter dem Deutschlandnetz sollen bundesweit > 1.000 Standorte mit ~9.000 HPC-Ladepunkten entstehen – davon 200 Standorte direkt an unbewirtschafteten Rastanlagen der Autobahn GmbH. Vorgaben dort: mindestens 200 kW pro Ladepunkt, Kartenzahlung standardmäßig, 24/7-Hotline und Verfügbarkeitsmonitoring mit Pönalen bei Ausfällen. Zielbild: alle ~10 Minuten eine Lademöglichkeit entlang der Autobahnen. Erste Standorte laufen an, bis 2026 soll das Netz stehen.
Kritikpunkte der Nutzer – und was Betreiber/Politik daraus machen sollten
1) „Ich finde die Säulen nicht – und wenn, dann ganz hinten.“
- Forderung: Bessere Platzierung (nah an den sanitären Anlagen/Shop), klare Wegweisung auf dem Areal, farbige Markierungen der Stellflächen.
- Status: ADAC bewertet die Beschilderung meist okay, aber die Platzierung bleibt oft suboptimal.
2) „Dunkel, schmutzig, kein Dach – das fühlt sich nicht sicher an.“
- Forderung: Beleuchtung, Überdachung, Kameras/Notruf, Regel-Reinigung, Mülleimer & Scheibenreinigung.
- Status: Überdachung bislang selten; Beleuchtung laut ADAC nur in wenigen Fällen ungenügend – aber insgesamt fehlt Aufenthaltsqualität.
3) „Defekt oder halbierte Leistung – ich kann mich nicht drauf verlassen.“
- Forderung: Höhere Verfügbarkeit, Redundanz (≥ 10 Ladepunkte pro Site), klare Live-Statusdaten im Auto und in Apps.
- Status: ADAC fand 15 % Standorte mit mindestens einem defekten Punkt; Leistungsteilung (Power-Splitting) bleibt ein Praxisproblem. Deutschlandnetz führt Pönalen und Mindestleistungen ein.
4) „Bezahlen ist zu kompliziert – ich will einfach Karte hinhalten.“
- Forderung: Kartenterminal an jeder neuen Säule, Tarife transparent an der Säule, Roaming-Fairness beim Ad-hoc-Preis.
- Status: AFIR-Pflicht seit 13. April 2024, Nachrüstung läuft – im ADAC-Test waren Terminals 2024 noch die Ausnahme.
Alternativen zur Raststätte – wo Laden heute oft besser funktioniert
- Autohöfe an der Ausfahrt: Häufig moderne HPC-Parks mit Dach, Gastro, Sanitär und besserer Flächenaufteilung als enge Rastplätze; oft preislich attraktiver. (Viele ADAC-Kritikpunkte bezogen sich explizit nicht auf Autohöfe, da sie außerhalb des Tests lagen.)
- Marken-Hubs nahe Autobahnkreuzen** (z. B. EnBW, Ionity, Fastned, Tesla Supercharger – teils für Fremdmarken offen): Hohe Leistung, viele Stalls, gute Beleuchtung und Service.
- Gewerbe-/Einzelhandel-HPC im Umfeld großer Ausfahrten: Kombiniert den Einkaufsstopp mit Laden, oft mit Dach und Sanitär im Markt.
- Hotels mit HPC: Für die planbare Nachtladung auf längeren Touren.
Tipp: Navigationssysteme vieler E-Autos und gängige Apps zeigen Live-Status und Leistung – hilft, defekte oder ausgelastete Standorte zu umgehen.
Was Reisende jetzt konkret tun können
- Plan B einplanen: Beim Routenplanen mindestens eine Alternative je Ladesstopp vorsehen; möglichst Hubs mit ≥ 6–10 Stalls priorisieren.
- Zeit sparen: Wenn möglich HPC ≥ 200 kW anfahren und auf Power-Splitting achten (freie Säule wählen).
- Sicher & bequem: Gut beleuchtete Plätze wählen; bei schlechtem Wetter überdachte Hubs bevorzugen.
- Bezahlen ohne App: Wo das Kartenterminal fehlt, prüfen, ob Ad-hoc per QR-Code des Betreibers möglich ist – aber auf gefälschte QR-Sticker achten.
Ausblick: Kommt der Qualitätssprung bis 2026?
Mit Deutschlandnetz-Vorgaben (Leistung, Kartenzahlung, Pönalen) und der AFIR entsteht der regulatorische Druck, den Nutzer seit Jahren fordern. Die Vergaberechts-Hängepartie ist aufgelöst, Autobahn-Standorte werden gezielt ausgebaut. Entscheidend werden nun Netzanschlüsse, Baukapazitäten, Standortdesign – und der Wille, Ladeplätze kundenzentriert zu gestalten (Dach, Licht, Sauberkeit, kurze Wege). Gelingt das, verschwindet das Bild vom „Lader im dunklen Eck“ – und die Autobahn wird auch für E-Autos zur verlässlichen, bequemen Tank-… Pardon: Lade-Infrastruktur.
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